Schöne Momente

Etwas Schönes schreiben

 

Wie schreibt man etwas Schönes in einer kaputten Welt?

Allgemein geht nicht - es gab 1000 Fälle - aber schreib mal von spontan einfallenden Momenten des Lebens - die da waren:

 

Hong Kong

Wir prüften eine Exportfirma für Luxusprodukte nach Japan und China. Der CEO sagte, wir sollten um 11 Uhr am Bootshafen sein. Ein Tragflächenboot bringt uns auf eine kleine Insel hinter Aeberdeen. Da sind Liegestühle, 5 Kellner und Köche, Wein, gegrillter Fisch, Brot - man erwartet nur uns. Wir erkunden die Insel, liegen in der Sonne, schwimmen am Strand und sausen dann mit 100 Sachen zurück zur Arbeit im Ocean Center.

Grillen im Schnee

Hoch über der Linthebene parken wir im Wald. Der Hund und die Rucksäcke raus und wandern bis zu einem lichten Birkenwald. Holz zusammen suchen, ich mache Feuer, Rita bereitet den Wein und die Servelats und Brot und Irish Coffee vor. Eine Decke über den Schnee - und jetzt geniessen wir allein auf der Welt die Sonne, die Stille, das ewige Leben.

Strand Portugal

Pousada Tour ab Lissabon mit defektem Auto. Am Schluss Algarve: Endloser Strand und weit hinten die Strandterrassen für Essen und Drinks - Fische, Vino Verde, Gelati. Ich vermisse meine Sonnenbrille, Rita meint, jene auf meiner Stirn sei genügend. Wir grinsen etwas und starten zu Felsbrocken im Meer mit Grotten und verlieren uns. Später ein Sprint im harten Sand und Rita filmt das Genie. Am Abend ein Portugiesen-Treff mit viel Alkohol, Jazz vom Feinsten - alles ein Wahnsinn!

Konzert in Antibes -Juan-les-Pins

Nicht das Konzert von Chuck Berry damals - auch nicht der Gourmetkoch, der für mich und Architekt kochte um 16 Uhr nachmittags. Nein ein Dorfkonzert auf einer Kanzel mit Blasmusike: Ein kurioser Bassist scheint völlig glücklich - bis der Dirigent ein archi-modernes Stück spielen will. Der Bassist ist empört, flucht vor 100 Leuten, wirft seinen Bass weg und flieht fluchend den Ort. Das Publikum ist begeistert, klatscht, man grinst böse und lässt den atonalen Quatsch an sich vorbeiziehen.

Rügen

Gleich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Reise nach Stralsund. Auf der Halbinsel steige ich lange vor Rita aus dem Bett und fahre in das Waldstück vor dem Kreidefelsen, was durch das berühmte Gemälde von CD Friedrich jeder kennt. Die Sonne geht auf über rotem Horizont, es entsteht eine Märchenlandschaft, die Zeit steht still, der Wahnsinn von Politik, Wirtschaft, Globalisierung verschwindet - alles ist nur noch Sein.

Budapest

Eigentlich ein Job in der Stadt um 1995. Danach mit Frau eine Radtour von Wien nach Budapest an der Donau entlang mit vielen Hotels unterwegs. In Budapest eine Stadtwanderung zum berühmten Bad, wo wir in der Halle mit den Säulen schwimmen und dann in die Höhe spazieren und in eine ruin-artige Beiz mit Sicht über ganz Budapest. Kaum sitzen wir, kommen die Fiedler und streichen drauflos wie wild. Ich geb einen Schein und sofort wandern sie fort zu anderen Touristen-Idioten. Man lernt nie aus.

Venedig

Unser Hotel ist eine Schmucktruhe. Am Abend ist die Stadt leer und wir wandern an den Kanälen entlang, unheimliche Gegend. Unheimliche Ruhe und Gefahr, uralte Strassenlaternen, verlassene Häuser und Pärke. Und erst am Markusplatz wieder die Meute in teuren Coffeehäusern, von jenen die hier wohnen oder über Nacht bleiben wollen.

Diplomfeier

Man hat die Prüfung bestanden, deshalb die Einladung in die Aula zur Uni Zürich. Die Besten werden ausgezeichnet und schon fällt mein Name. Ich bin so verblüfft, dass ich sitzen bleibe und erst viel später das Diplom mit Notenblatt abhole vorne. Statt zur Feier im Zunfthaus gehe ich mit Frauen und Kollege in eine Beiz beim Zoo und wir freuen uns unserer neuen Freiheit - jetzt kann nichts mehr passieren…. 

La Peille

Erster Silvester an der Côte d'Azur. Ich reserviere in einem Restaurant in La Peille. Rege mich auf: "Schon alles besetzt, keine Parkplätze." Wir nähern uns dem Restaurant - alles dunkel. Die Türe geht auf - wir suchen den Wirt im Keller.  Er. "Alles in Ordnung, zeige euch den Tisch." - (Hund-Rita-ich). Alles gedeckt. Kerzenlicht. Aperitif. Dann etwa 10 Gänge bis Mitternacht und jedes Mal sagte der Wirt "Happy New Year!". Vor Mitternacht kommt noch der Dorftrottel rein und ein junges Paar aus den USA. Ich bestelle Champagner für alle. Um 1 Uhr zurück durch Nacht und Nebel an die Küste in die Wohnung. Der schönste Silvester aller Zeiten!

Natürlich gibt es Tausende solcher Momente und sie übersteigen die unglücklichen im Verhältnis von 10 zu 1.

Glück gehabt!

René Delavy