Wenn ich im Jenseits bin und noch einmal auf die Erde zurück könnte, würde ich wohl zwei Momente wählen, die zu den glücklichsten in meinem Leben gehörten.
Zufälligerweise sind die Orte nur 20 Kilometer auseinander und es kam so:
An einem Sonntag machten wir uns auf, Sospel zu besuchen im Hinterland, aber bei Castillon kannten wir ein Restaurant vis-a-vis einer kleinen Kapelle und entschlossen uns, dort essen zu gehen.
Wir kamen von der Hauptstrasse ab und parkten den Wagen vor der Kapelle. Sofort war ein kleiner Kellner zu uns gerannt und lud uns ein, ins Restaurant essen zu gehen, oben thronte der Wirt und schien mit seinem sehr jungen Ober - beinahe ein Knabe - zu schimpfen und so rief ich: "Wir haben auf alle Fälle den Wunsch, bei Ihnen zu essen."
Wir stiegen die gewundene Steintreppe hinauf in die Estrade - offen zur Kapelle und in der Weite, tief unten in weiter Ferne, die Küste und das Mittelmeer in gleissendem Licht. Ein Tisch war fein hergerichtet mit Gläsern und Besteck und der Wirt brachte sofort einige Kostbarkeiten und lud uns ein, einfach zu essen, was er bringen würde. Da sassen wir und wie üblich philosophierten Ria und ich, mit dem Hund unter dem Tisch über alles Mögliche und ein immer noch besseres Essen kam aus der Küche und der kleine Kellner bemühte sich, uns von teurem Wein einzuschenken.
Wir waren total glücklich und weit ab von jedem Weltgeschehen, ganz für uns allein und vergassen die Zeit und alles was je geschehen war.
Zum Schluss meinte der Wirt, er würde ein feines Essen für den Silvester vorbereiten und wir könnten reservieren, wenn wir wollten - was ich sofort tat.
Daraus erfolgte eine zweite Lebenserfahrung, die erstaunlicher nicht sein könnte.
Als wir am 31. Dezember etwa um 9 Uhr nachts erschienen, waren an den 5 Tischen schon Norweger, Franzosen, Italiener am Essen von Vorspeisen und sofort wurde wir auch eingedeckt mit Kostbarkeiten, die sich steigerten von Gang zu Gang. Die Leute waren freundlich aber distanziert und wir konnten uns das Chaos nach Mitternacht noch kaum vorstellen.
Der Wirt war Koch, Ober, Conferencier, Discjockey und Tänzer in einem und als Mitternacht vorbei war und alle mit ihrem Champagner angestossen hatten, brach ein Fest aus und alle tanzten, stiessen an, machten sich bekannt, schwatzen durcheinander.
Ich ging derweil mit dem Hund, der im Auto wartete, in die Dunkelheit der Stille etwas spazieren und brachte ihn hinauf in den kleinen Saal, wo die Zeit stillgestanden schien und alle waren glücklich.
Erst nach zwei Uhr brachen einige Familien auf und ich, der nie lange bei Events bleiben wollte, machte mich auch auf, und die Fahrt durch Menton selbst war ein Erlebnis der besonderen Art, die Leute tanzten, festeten auf den Plätzen und dann kamen wir wieder durch ausgestorbene Quartiere auf der Strecke zu Monaco, wo wie üblich eine eiserne Stille herrschte.
Dies bringt mich zu einem beinahe noch ausgefalleneren Glücksmoment:
Meine Freundin wollte in Chatillon sur Indre bei Tours ihre Jugendjahre bei einem Onkel wieder aufleben lassen und wir hausten im vornehmen Hôtel d'Espagne mehrere Tage beim Schloss zu Valencey. Irre das kleine und düstere Restaurant des Abends mit Kerzenlicht und hervorragendem Essen, was uns wie ein Märchen vorkam.
Wir hatten vor, auf der Heimreise irgendwo in einem Hotel zu übernachten, fanden aber nichts- und so fuhren wir die Nacht durch und angekommen bei Monaco um 2 Uhr morgens, waren wir total fertig und hungrig. Ich öffnete eine Weinflasche und Ria machte Spaghetti bolognese auf zwei Herdplatten, wir staunten auf das Mittelmeer im Mondschein und die Strasse mit ihren Laternen und waren einfach nur still, sprachen kein Wort, die Gläser klirrten beim wiederholten Abstossen und fix und fertig ging es ins kleine gemeinsame Bett und erst die Sonnenstrahlen im Gang gegen Mittag des Tages weckten uns, um ein weiteres Lebensfest zu planen, an der Côte d'Azur und vor allem im unwahrscheinlich romantischen Hinterland.
Ja, diese zwei, drei Momente müssten es wohl sein - aber es gab auch 1000 andere Gelegenheiten, aber man kann sich nicht an alles erinnern. In der Ewigkeit der Zeit und des Raumes, nach dem für alle bestimmten Weggehen.
René Delavv - Côte d'Azur
December 2024