Glück und Unglück
Ein Tisch voller Gaben mag ja ein Glück sein – ich zieh die Gaben von
Gott an mir allerdings vor.
Das «Glück» - pour ainsi dire – ist undefinierbar, und deshalb beginne ich mit dem Unglück:
Kürzlich sah ich einen Naturfilm: Soeben war ein Gnu auf die Welt gekommen. Es rannte schon bald voller Lebensfreude um die Mutter herum und begriff noch nichts. Schnitt. Eine Gruppe Gepards schaut aus einem Gebüsch, und dann greifen sie an. 5 Minuten später zerren sie das zappelnde Junge am Hals davon. Dies ist es, was ich das totale Unglück nenne.
Reise nach Ceylon – heute Sri Lanka – zwecks Selbstmord. Dazu wird es
nicht kommen. Am Flughafen Colombo miete ich einen Jungen mit seinem Altauto
für eine Woche. Schon auf dem Weg zum Hotel machte die Kiste schlapp. Ich
schaue 2 Stunden wie Elefanten Baumstämme aus einem Fluss fischen, da kommt er
mit einem grünen Peugeot. Wir fahren auf der ganzen Insel rum. Am Schluss zeigt
er mir seine dickliche Ehefrau und Haus. Drei leere gemauerte Räume. Dann drückt
er auf einen Knopf und er und seine Frau strahlten vor Glück – sie hatten
Elektrizität und eine Birne am Draht. Ich applaudierte und war ebenfalls
glücklich.
Später wollte mich der Besitzer des Autos, ein Arzt, mich sehen und wir
hielten vor einem grossen Bungalow. Der Arzt hatte einen Diener, der mich
hineinführte. Da sass die ganze Familie auf einem Sofa wie auf einem
Hochzeitsphoto. Ich wurde gebeten auf einen Polsterstuhl in 4 Meter Entfernung
platz zu nehmen. Der Arzt hob zu einer Dankesrede an. Ich merkte, dass sie
ungemein stolz waren auf einen Europäer, ein Schweizer, als Kolonialist auf Besuch
im eigenen Haus.
Ich spielte mit und war die Höflichkeit in Person und erzählte von
meiner Heimat, lobte den Chauffeur - Dank für das Auto und dann Flug zurück in
die Schweiz.
10 Personen um mich herum. Halbdunkel. Applaus als ich beim Umbetten in
die Röhre etwas nachhalf. Ich war soeben bei einer Pankreas Operation dem Tod
von der Schippe gesprungen, nach einer Verletzung einer Arterie und gewaltig
viel Blutverlust. Aber ich war glücklich. Wieder einschlafen und einen Stent
einziehen und dann 6 Monate bis ich wieder einigermassen gehen konnte.
Ein Unglück? So denke ich nicht. Solange ich nicht tot bin oder in einem
Zelt schlafen muss, habe ich kein Recht aufs Unglücklichsein.
Ist es der Masse schon aufgefallen? Elend arme Menschen strahlen bei der
kleinsten Sache. Superreiche machen ein besorgtes Gesicht – ihr Reichtum könnte
ja etwas tiefer sinken.
Glück haben wie der Schwerstverbrecher Trump oder die Juden in Israel
und anderswo oder an der Wall Street?
Was es auf sich hat mit dem Glück oder Unglück kann ich wohl besser
beschreiben im Text «Wellen des Lebens» - den ich nun in Italien zu Ende texten
werde.
Glück ist relativ – auf Momente beschränkt – vergänglich – von Dauer ist wohl kein Gefühl – nur die Situation kann sich wie ein Meer im Sturm ständig
verändern.
Das wäre schon die Erklärung des Lebens…
René Delavy – Côte d’Azur
written on May 18, 2024