Unwahrscheinlich

  


René Delavy  

Eine unwahrscheinliche Geschichte  

Die Biographie eines Philosophenlebens

 

......Und so flossen die Jahre dahin. Erfolg gleich Null, Routine im Beruf, hohe Lebensqualität im Alltag und Beobachtung des Seins, das sich rasend schnell seiner Erfüllung entgegen bewegte, unbemerkt von weit über 99 Prozent der Weltgesellschaft. Was für ein Abenteuer! Da hätten mich Goethe, Galileo, da Vinci und Blaise Pascal wirklich nur beneiden können. 


Sechstes Kapitel 

Der Kreis schliesst sich, die Zukunft stösst an ihr Ende

(2001 bis 2007) 

 

Je älter ein Mensch wird, desto nachdenklicher wird er, wenn er denn überhaupt denkt. Man muss ganz klar unterscheiden, im Sinne meines Textes "Die Stufen des Denkens". Genau so wie es unterschiedliche Geschlechter, Berufe, Nationen, Rassen und Erfahrungen gibt, gibt es sehr grosse Unterschiede im Körperlichen wie auch im Geiste. 

Wobei die Unterschiede im Geiste um das Hundertfache das Unterschiedliche im Körperlichen übersteigen. Zwischen einem bewusst oder unbewusst debilen Menschen und einem echten Universalgenie bestehen Welten. Ich zum Beispiel bin überzeugt, mindestens das Doppelte zu wissen, als jeder zur Jetztzeit lebende Mensch. 

Aber nur schon ein Professor für eine gegebene Sache, ein Ingenieur, ein Rechtsanwalt oder ein Buchhalter wissen mehr als viele kleine Bauern in Afrika. Doch hier beginnt das Missverständnis: Detailwissen in gewissen Gebieten ist keinesfalls vergleichbar mit Lebensweisheit und grundlegender Fähigkeit, die Welt zu verstehen und seinen IQ in immer höhere Sphären gleiten zu lassen. 

Es gibt verschiedene Intelligenzen: Sachverstand, Berufswissen, allgemein kulturelles Denken,  Phantasie in Bereich von Musik, Architektur, bildende Künste, Literatur und so fort. Daneben gibt es ein breites Wissen, ein Fühlen und Denken was das Sein ist, was Gott sein könnte, die Ewigkeit und die Unendlichkeit. Man könnte noch weiter gehen und sich fragen, was der Sinn von Leben ist, von Bewusstsein, vom Universum an sich. Und da merkt man bald einmal, wie man sich an Denkgrenzen verschiedenster Arten stösst und nicht weiterkommen kann. 

Man beobachte auch die Begrenzungen höchsten Geistes: In der Musik schrieb Bach eigentlich immer nur Bach-Klassik, ein Mozart nur Mozart-Klassik, ein Dylan-Songwriter nur immer Dylan, ein van Gogh eben "seine" Bilder und ein Picasso eben die anderen. Eigentlich ein sehr enger Kreis von Genie oder Intellekt. Sie waren kaum interessiert an höheren Sphären des Ganzen. Sogar ein Einstein interessierte eigentlich nur die Physik und später die Atombombe. Aber den Sinn von Politik, Wirtschaft, Kultur und Sein als solches, interessierte nicht einmal dieses Genie, weshalb ich die Frage stellte in "Stufen des Denkens", ob nicht-universelles Denken überhaupt genial sein könnte - und diese Frage verneinte. 

Wie komme ich dazu, mich als intelligentesten Menschen aller Zeiten zu sehen? Ein solcher Wahnsinn ist wirklich nur Wahnsinn. Gemach, ich erkläre es: Es ist nicht die Frage, OB ich der intelligenteste Mensch auf Gottes Erde sei. Sondern die allein gültige und akzeptierte Frage ist: Wer denn sonst? Und sofort wird klar: Keiner! 

Wer schon kennt alle Mechanismen der Wirtschaft, Steuern, Organisationen, Rechte aller Wirtschaftseinheiten in dieser Welt? Also Banken, Versicherungen, Industrien, Verarbeitung, Landwirtschaft, Gemeinden, Städte, Staaten, Consulting, Leasing, Anlagefonds, Pensionskassen etc. etc. Und wer weiss schon mit 18 Jahren, dass diese Ökologie des Menschen ihm eines Tages auf den Kopf fallen wird, und erkennt im Jahr 1975 glasklar, dass nun "the point of no return" erreicht sei, dass ab nun nur noch ein Verzicht auf Wachstum, den massenweisen Verbrauch von Ressourcen, auf Vernichtung von Luft und Wasser etc. das Ende der Menschheit vermeiden wird? Wer sieht alle Mechanismen an Börse und weiss beim ersten Auftauchen eines derivativen Wahnsinns, warum es Wahnsinn ist? Wer überschaut die Geo-Politik der Erde in ihrer gesamten Chaotik und Komplexheit? Wer hat alle Philosophen gelesen, verstanden, die Schwachstellen sofort erkannt und diese aufgeschlüsselt und die Lösungswege aus den Denkfehlern der Philosophen genauesten formuliert? Wer kann wie kein anderer über Religion, Gott, Unendlichkeit und Ewigkeit, über alle Relativitäten des Seins schreiben? Eben: René Delavy. 

Darauf bin ich nicht stolz - es ist ein Fakt. Allerdings kann ich nicht kapieren, dass die leichtesten Zusammenhänge im Fundamentalen von keinem anderen Menschen wirklich erfasst werden. Es gibt auf Erden vielleicht 100 Menschen, die in der Lage sind, meine Texte wenigstens einigermassen so zu verstehen, wie sie geschrieben worden sind. Doch wirklich Denken in diesen Kategorien ist keinem anderen "Genie" auf diesem Globus gewährt, und war es wahrscheinlich nie. 

Sicher war es eine gewaltige Leistung, im alten Griechenland die Grundlagen von Physik und Mathematik zu legen und eigentlich das fundamentale Denkgerüst für spätere Philosophien zu erkennen. Aber man vergleiche die Komplexheit der Welt im Jahr 1000 vor Christus und die Welt im Jahr 2000 nach Christus. Hier ist eine Steigerung der Komplexität der Dinge um das 1000-Fache geschehen. Wer also sagt: Ich verstehe fast alles was sich tut auf diesem Planeten, ist für sich allein gesehen noch lange kein Genie. Im Vergleich zu allen seiner Mitmenschen ist "Genie" hier eine klare Untertreibung und Diskriminierung. Etwas, was kein anderer Mensch auch nur in Ansätzen schafft, auf die gleiche Stufe zu stellen wie die vielen Idioten-Genies dieser Erde, ist nichts anderes als eine Beleidigung an die Adresse eines wirklich real denkenden Kopfes. 

Doch ich nehme dies keinem Menschen übel, denn schliesslich bin ich nicht verantwortlich für mein Hirn, es wurde mir von Gott gegeben. Lediglich für die Programmierung und die Erhöhung des Wissens kann ich belangt werden. Doch inzwischen geht das natürliche Leben eines Menschen auf ganz normaler Stufe weiter, und dieses Getöse von "Genie" ist im täglichen Leben ohne jede Bedeutung und Einfluss. Nur beim Schreiben machen sich diese Fähigkeit und dieses höhere Sein überhaupt bemerkbar. 

Der Rest ist Essen, Trinken, Wandern, Musik hören, Bücher lesen, Velorennen schauen während Stunden, oder Skirennen, dann diskutieren mit Freundin, Einkaufen gehen in die Migros und vieles andere mehr, genau so wie alle anderen normalen Menschen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Wie geht das eigentlich? Sich in das Wesen anderer Menschen eindenken? Zu fühlen, wie sie fühlen? Die verschiedenen Ebenen des Seins: Basic Life, persönliches Leben, historisches Leben und reales Leben, wie beschrieben in einem meiner Editors Letters, zu begreifen, nicht nur für sich selbst, sondern für alle Menschen dieser Erde? 

Es ist sehr schwierig zu beantworten. Es hat wahrscheinlich mit dem eigenen Leben zu tun und allen Erfahrungen, die sich vorzu weiterbilden. Dann die genaue Beobachtung der Umwelt. Dann nicht einfach lesen, sondern während der Lektüre sich die Situation genau vorstellen, sich einfühlen in Täter und Opfer und diese Eindrücke des Nachts, während langer schlafloser Stunden, an sich vorüber ziehen lassen und die Wut spüren der Opfer und den Sadismus der Täter. Genau beobachten, wie sich die VIP dieser Welt benehmen, ihre Mimik, Gesten, Körpersprache, Betonung der Sätze - im Vergleich mit ihren Taten und dann den irren Kommentaren in den Medien, die jedem Schwein auf den Leim kriechen und erst noch die "Helden" des Kriminellen nie durchschauen und nie die Optik von deren Opfer je darstellen können. So geschehen mit Hitler, Stalin, Kennedy, Putin und Bush. Immer die gleiche Leier, immer die gleiche Oberflächlichkeit des Geistes. 

Es ist ein Kreuz mit der Menschheit: Selbst die schwächsten Glieder der Gesellschaft möchten gerne Täter spielen und können sich stets nur in die Fantasiewelten der Mächtigen der Welt einleben. Sie verstehen die Opfer noch nicht einmal, wenn sie es längst selbst geworden sind. Ich denke, dass es einen sehr hohen IQ benötigt, plus den Willen, alles zu verstehen, plus die Einsicht, dass man selbst wehrlos ist angesichts fürchterlicher Systeme der Selbstvernichtung - und dann, erst dann, ist ein hoch entwickelten Mensch so weit, diese hohen geistigen Leistungen zu erbringen. 

Wobei sich Männlein und Weiblein bezüglich Gehirnstruktur gewaltig unterscheiden. Selbst wenn es so wäre, dass die Frauen im Durchschnitt intelligenter wären als die Männer, dann wäre immer noch die Tatsache zu bewundern, dass Frauen nie, absolut nie abstrakt und philosophisch denken können. Viele Männer können dies auch nicht, aber es gibt einen ganz kleinen Prozentsatz von Denkern, die dazu in der Lage sind. Und dies ist von ausserordentlicher Bedeutung, denn niemals, niemals werden die konkreten Dinge des Seins auf der Welt die Systeme prägen, sondern diese nur immer fürchterlicher fortführen. 

Was es braucht ist ein absolut neuer Denkansatz der Realität gegenüber, und dieser kann ausschliesslich in der Abstraktheit des Geistes erfolgen. Und in diesem Sinne sind alle meine Bücher zu verstehen: Der zukünftigen Welt, den kommenden Generationen klar machen, wie alle Kollapse in Ökologie, Wirtschaft, Politik, Kultur and Ressourcenvernichtung, sowie erbärmlicher Schädigung von Natur, Wasser und Luft - eben wie alles dies geschehen konnte und warum alle blind waren: Die Frauen, weil sie nur an menschlichen Beziehungen interessiert sind und die Männer, weil ihre Faulheit des Denkens von Tag zu Tag höhere Weltrekorde erreichen konnte, in einer komplett boulevardisierten Medien-Realität.  

Doch gehen wir zurück auf die Entstehung der Werke seit dem Jahr 2000, nach dem Erscheinen der ersten zwei Bücher "Gedanken in Turin" und "Linien zum Himmel ziehen". Diese ersten zwei Bücher waren ja das Resultat einer Empfehlung einer mitleidigen Lektorin eines Verlages aus Bern, bei diesem Zahlungsverlag meine Bücher drucken zu lassen, was wie beschrieben dann auch geschehen ist, mit sehr mässigem Echo und Erfolg bis heute. Zwar konnten alle Bücher der ersten Auflage über das Internet billig verquantet werden, doch das war dann auch schon alles. 

Doch erzählenswert sind eigentlich mehr die Entstehung und der Druck der nun im Eigenverlag herausgebrachten Bücher. 

Das erste Buch, das im neugegründeten Kaos Verlag herauskommen sollte, wurde geschaffen in einer kleinen Ferienwohnung bei Monaco. Täglich hatte ich meinen Laptop vor mir auf dem kleinen Salontisch, und während meine Freundin sich anderweitig beschäftigte, schrieb ich jeden Tag eine der 10 Maximen zur Weiterexistenz nieder, wie in Trance, ohne eine Sekunde zu überlegen oder innezuhalten. Der Text floss mir einfach zu. Wie oft hatte ich zuvor darüber nachgedacht, wie dieser selbstmörderische Kapitalismus, verschlimmert noch durch die Theorien von Milton Friedman und dessen Anwendungen, durch ein ganz anderes Lebensmodell der Erde ersetzt werden könnte. Und nun war der Moment gekommen, hier alles chronologisch und vor allem logisch in einen Erzählfluss umzusetzen. Jeden Abend las ich dann den Text Rita vor und sie schrie jeweils: "Dies ist genial. Diese verdammte Menschheit hat diesen Text gar nie verdient. Lass doch das Schreiben, es wird nie was bringen und du machst dich dabei kaputt." Ich versicherte, dass diese Schreiberei das wahre Lebenselixier sein würde, was sie nicht so ganz verstand, sprachen doch die Texte eine ganz andere Sprache.  

Das zweite Buch "Chaos" wurde eigentlich über mehrere Jahre geschrieben. Immer wieder hatte ich vor allem am frühen Morgen geschrieben, über irgendetwas, das ich am Fernsehen, am Radio oder in der Zeitung oder einem Buch gesehen, gehört oder gelesen hatte, und die Sache liess mich nicht los, bis ich sie umfassend analysiert hatte, und dies ging nur im Fluss des Schreibens vor meinem Computer. Schliesslich fasste ich die Kapitel zusammen in Bereiche wie: Erkenntnis über das Seiende // Theorie der Grenzen des Wachstums als Irrtum // Die Welt des Geldes // Demokratie als Garant der Zukunft? // Menschliche Fehlschlüsse des Denkens // Macht versus Wissen // Die Schulung der Wahrnehmung // Welche Religionen braucht die Menschheit zum Überleben? // Fundamentalkritik am heutigen philosophischen Denken. Dies waren die Kapitel dieses Opus magnum, also einer klaren Formulierungen in erzählerischer Form, wie sich die Geistesgeschichte verrannt hatte in die Idee "Das Verhalten der Menschen ist alles - Die Erde, Natur, Tiere, Klima, Ressourcen etc. sind die reine Scheisse". Wie oft hatte ich danach diese Formel wiederholt als Grundlage zu den späteren Editors Letters! Dies ist das Grundgerüst der Menschheit: Eine total falsche Beurteilung von Wesentlichkeiten und Idiotien des Menschseins durch die Philosophiegeschichte von 3000 Jahren. Und so wurde auch dieses Buch, das ich wie die anderen bei der Abholung von der Druckerei mit den Mitarbeitern der FDZ, zuerst in Zürich und später im Industriequartier in Dietikon, jeweils mit einem feinen Mittagessen gefeiert. Nur schade, dass sogar diese Leute nie begriffen, was sie mir jetzt gerade ausgeliefert hatten und nur ihre idiotischen Smalltalk-Scheisse von sich gaben, bis ich auch auf diese Mittagessen verzichtete, um nicht noch mehr an Frust leiden zu müssen...  

Das dritte philosophische Buch "Macht x Dummheit = Selbstzerstörung" hat eine etwas kompliziertere Entstehungsgeschichte, enthält es doch drei etwa gleichwertige Teile, die da sind: Die 18 Kapitel zu einer neuen Denk- und Wirtschaftslehre // Versuch einer Kritik am Denken der wichtigsten Wirtschaftstheoretiker // Die Zwangsläufigkeit der Verhältnisse und noch ein Essay mit Titel "Genialität und Normalität". Dieses Buch hatte ich mit höchster Konzentration und Vergnügen geschrieben. In den 18 Kapiteln des ersten Teils konnte ich über alle Teilbereiche des Denkens herfahren mit äusserster Ironie und Tiefe, über Medien, Religion, Politik, Wirtschaft, Ökologie, Forschung und Wissenschaften, Demokratie, Geldwirtschaft - und so dieser gelebten Wirklichkeit die Gedanken einer neuen "Zielgesellschaft" gegenüberstellen. Ein Riesenplausch! Endlich konnte ich für die Nachwelt zeigen, welchen denkerischen Fehler sie stets erliegen sind und wie ein Denkmodell des Lebens sein würde, welches auf der Erde schon immer eine Art von Paradies zugelassen hätte. Aber das Kernstück war für mich selbst der zweite Teil des Buches: Hier konnte ich alle Denkfehler in die Pfanne hauen von den Wirtschaftshuren Adam Smith, René Descartes, Niccolo Machiavelli, Karl Marx, Friedrich von Hayek, John Maynard Keynes, Milton Friedman, Michel Foucault and Giorgio Agamben. Alle diese Täter am Wirtschaftlichen der Welt, hatten sich verrannt in eine total verblödete Geld-Casino Welt des Kapitals, der Machbarkeiten, des Wachstums ohne Grenzen, der Idiotie, dass wir mehrere Planeten zum Versauen hätten. Natürlich gilt diese Aussage nicht so ganz für die frühesten Theoretiker, doch auch diese waren in den Startlöchern eines Denkens, das dann durch das Technologie-Zeitalter ad absurdum geführt werden konnte. 

Mir war nie klar, woher ich das Wissen hatte, um all diesen Idioten den Tarif durchgeben zu können. Es ist mir offenbar in die Wiege gelegt worden, selbständig auf höchstem Abstraktionsniveau zu denken. Und nie liess ich mich verführen von "grossen Köpfen" des Nichtswissens, nie. Es war mir zu dumm, irgendeine Theorie oder "Wahrheit" zu akzeptiert, bevor ich sie nicht begriffen, analysiert und als richtig oder falsch verstanden hatte und richtig taxieren konnte. Ich hatte über alle die Jahre eine Sammlung von tausenden von Zeitungsartikeln erstellt, wo nur die wesentlichsten Dinge verarbeitet wurden von Redaktoren und Zeitgenossen. Und so bildete sich, zusammen mit der umfassenden Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer ein Gesamtkonzept des Denkens - und eines Tages zerriss der Vorhang und diese Welt des Erdenvolkes hatte eigentlich keine wesentlichen Geheimnisse für mich, ich sah alles glasklar vor mir und konnte von nun an sogar Editors Letters schreiben, ohne auch nur einmal nachsehen zu müssen, ob die Sache stimme. Lediglich im Dictionnaire oder Wörterbuch musste ich immer wieder nach dem richtigen Englisch-Ausdruck suchen, das war schon alles. 

Meine Lektorin Tanja war bald einmal eben so frustriert über meine Erfolglosigkeit wie ich und meinte, dass ich mit einem Roman wohl bessere Chancen hätte und so begann ich den Roman "John Demaster" zu schreiben. Ich war erstaunt, wie leicht mir auch diese Form der Literatur einfach gelang. Schon das erste Kapitel rief Begeisterungsstürme bei meiner lieben Lektorin hervor, was leider in der Folge verebbte, als ich immer tiefer in die Materie dieses vom Himmel gefallenen Menschen versank, der diese Erdenwelt erst noch verstehen musste, um schliesslich zu erkennen, warum der Homo sapiens ans Ende seines Lateins gekommen war und John im Pazifik auf ewig verschwinden würde. Ich hingegen war von jedem Kapital hingerissen und beim Wiederlesen heute bin ich der Meinung, es müsste der beste Roman aller Zeiten sein. Man wird sehen, wer diese Beurteilung eines Tages auch noch teilen wird. 

Obschon dieser Roman ins Leere fiel nachdem ich ihn allen Feuilletons der deutschen, schweizerischen und österreichischen Kulturredaktionen zugestellt hatte - und keinerlei Reaktionen erfolgte ausser der üblichen Rücksendungen mit vorgedruckten oder blöden Kommentaren, machte ich mich an einen weiteren Erzählband "Reise in die Phantastik der Vergangenheit", in welchem ich ein Treffen mit vielen weltbekannten Grössen der Vergangenheit arrangierte und sie von ihrem Leben und ihren Ideen erzählen liess - und zwar immer wieder in einem anderen Gebiet, andere Stadt, andere Landschaft, andere Zeitebene, ein Experiment das wohl als einzigartig in die Literatur eingehen wird. Unnötig zu sagen, dass bis heute im Jahr Ende 2007 keines meiner Bücher gekauft worden ist, ausser einiger Exemplare als Folge von Inserats-Kampagnen, welche mich gegen 50000 Schweizer Franken kosteten und dann jeweils drei bis zehn Exemplare bestellt wurden, zum Teil mit Rücksendung des zerfledderten Buches und Ablehnung einer Zahlung für diesen "Schund". Damit war einmal mehr für mich geklärt, dass nur noch Fräuleinwunder von ganz kleinem Intellekt in dieser Literaturlandschaft je eine Chance haben könnten, aber niemals die vertiefende Literatur einer höheren Denkkategorie. 

Es ist zu sagen, dass ich in dieser Zeit mehrmals vor dem Suizid stand. Es hätte jeweils nur wenig gebraucht, und ein Revolver, den ich im Haus immer hatte wegen einer früheren Bedrohung, wäre zur Explosion gebracht worden. Ob dies besser gewesen wäre, für mich und die Menschheit, wird erst die Zukunft klären können. 

Mein ganzes Leben ist eigentlich überschattet worden vom frühen Tod meines Bruders René. Dieser lange Leidensweg infolge eines krebsartigen Sarkoms im Universitätsspital, das langsame Verschwinden eines Menschenlebens, diese Kraftlosigkeit eines vor Zuversicht strotzenden Seemanns, der sich daran machte, eines Tages Kapitän zur See zu sein, war kaum auszuhalten und ich schwor mir, dass ich sozusagen mein Leben zusammen mit dem Seinigen verbringen würde, was bedeutet: Keine Talente verschwenden, seine Fähigkeiten in den Dienst der Menschheit stellen, alles tun, damit dieses Leben nicht für ein Nichts dahingegangen wäre. 

Was ab jetzt kommt, ist reine Zugabe. Ich denke schon alles Wesentliche geschrieben zu haben. Was könnte da noch an Erkenntnissen dazu kommen? Vielleicht nochmals ein Roman, um die Zeit tot zu schlagen. Vielleicht auch eine Biographie meiner Familie als Ganzes. Vielleicht auch eine Zeitgeschichte seit Geburt bis heute, damit der Menschheit klar würde, was sich eigentlich im Ganzen abgespielt hatte - und nicht nur - wie bei Naomi Klein - eine Wirtschaftsgeschichte des Kapitals, des Wahnsinns der Selbstvernichtung durch Schock, Schmerzen, Cash und andere Dummheiten. 

Die Wirklichkeit ist ungeheuer komplex. Doch wer sie begriffen hat, könnte ohne weiteres einen Roman der Superlative schreiben, der alles übertrifft, was je mit Tinte oder Computer geschrieben worden ist. Nur machen müsste man es noch. Sehen wir mal, wie viel Zeit mir noch vergönnt ist. Dann könnte auch dieses Projekt noch Tatsache werden. 

Es ist nicht anzunehmen, dass die Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch irgendetwas hin zu besseren Ufern denken, handeln und realisieren wird. Kein Mensch begreift die heutigen Realitäten und so wird es wohl so bleiben, dass die Menschheit "down the drain" gehen wird, mit dem Expresszug reindonnert in die Mauer am Ende des Tales, am Ende aller Machbarkeiten und Wünschbarkeiten. In Anbetracht der ungeheuren Verbrechen, die die Menschen den Menschen, den Tieren, der Natur und der Erde angetan haben, ist dieser Ausgang der Geschichte eine Gnade des Seienden. Mehr bleibt an dieser Stelle nicht mehr zu sagen. Ich darf zufrieden sein: Mein Leben war voll toller Erlebnisse, höchster Lebensqualität und Begegnungen mit vielen wertvollen und auch total verblödeten Menschen. Ich denke, es hat sich gelohnt - jetzt könnte man eigentlich gehen.... 


Siebentes Kapitel 

 

Die Zukunft der Menschheit erfüllt sich - genauestens im Sinne meiner Literatur

(2008 bis 2011) 

 

Manchmal übertrifft die Realität sogar die Fiktion. 

Bis vor kurzem glaubte ich, meine Literatur sei zwar wahr, aber doch etwas gewagt. Wie konnte ich sicher sein, dass die ökologische Situation ausser Rand und Band geraten würde? Wie konnte ich den Wall Street Crash so exakt vorausschreiben, ebenso die nachfolgende Kaskade von Trümmerfeldern in allen Ländern der Erde? Wie konnte ich wissen, dass der Mittelstand und die Armen die Zeche zu bezahlen haben? Wie konnte ich voraussehen, dass die Kultur der Menschheit immer verrückter ........................................