"Apotheose", gemäss Lexikon: "Erhebung eines Menschen zum Gott. Verklärung, Verherrlichung: auch in bildlicher und literarischer Gestaltung". In dieses Kapitel der Religionskritik und der Gottessuche gehören unbedingt einige Gedanken zur Idee, was geschieht, wenn Menschen Gott spielen wollen oder sich wie Gott vorkommen, in Politik, Wirtschaft und Kultur. Was es mit diesem Begriff auf sich hat, wenn innerhalb der Religionen der Gottesbegriff missbraucht wird, wurde ja im vorherigen Text abgehandelt.
Apotheose in der Politik: Von diesem Tatbestand ist wohl am besten zu reden, wenn ein Mensch Präsident der USA, von Russland, von Frankreich oder vieler anderen Staaten wird. In anderen Staaten ist die höchste Person, meist ein Mann, dann in der politischen Apotheose, wenn er Bundeskanzler oder Premierminister wird. Früher war dies der Fall, wenn ein Mensch König, Kaiser, Zar oder Fürst wurde und sein Einflussbereich besonders gross war. Was geschieht nun mit der Psyche dieser Menschen, was mit dem Verhalten aller anderer Menschen diesen "Göttergestalten" gegenüber? Meist verändert sich der Charakter eines solchen demokratisch oder auch infolge einer Erbfolge "gekrönten" Menschen nachhaltig und zwangsläufig. Er spricht in gestelzten, meist künstlich überhöhten Sätzen, langsam, mit sonorer Stimme, von sich selbst, von "seinem Volk", von seiner unerträglichen Bürde der Verantwortung und Macht. Er tut es meist nicht direkt, sondern sein Gehabe zeigt deutlich, dass er nun von Menschen umgeben ist, die sich in Ehrfurcht vor ihm im wörtlichen oder übertragenen Sinne in den Staub werfen. Vielfach verlieren die Machtträger ihren Verstand in dem Sinne, dass sie sich selbst unantastbar und unfehlbar vorkommen. Andere Personen, mit mehr Intelligenz und weniger Machtwillen ausgestattet, zerbrechen an ihrer Aufgabe, werden schnell alt und wünschen insgeheim, dass ihnen diese Bürde der Macht von den Schultern genommen werde. Auf jeden Fall sollte der Normalbürger endlich begreifen, was er tut, wenn er einem einzelnen Menschen eine unerhörte Machtfülle anvertraut, denn die Folgen des Machtmissbrauchs können fürchterlich sein. Mein ganze Beweisführung in dieser Schrift zeigt, dass Macht tatsächlich immer zu fürchterlichen Konsequenzen hinführt. Doch zuerst müsste verstanden werden, wovon ich überhaupt schreibe, um diese Behauptung zu verstehen: Gott zu spielen, ist immer gefährlich und hat immer Folgen, denn zu gross sind die Veränderungen und die gewollten oder ungewollten Gesellschaftsbeeinflussungen und des Denkens, das von der geballten Machtfülle der Staatsführer ausgeht.
Apotheose in der Wirtschaft: Schafft es ein Manager, schliesslich die Stufe eines CEO eines Grosskonzerns zu erreichen, dann geschieht meist dasselbe wie oben beschrieben, nur auf einer wirtschaftlichen Ebene.Diese Herren vergessen alles, was sie in ethischen und moralischen Zeiten gedacht und sich gewünscht haben. Sie sind gezwungen, in Sinne der Shareholder zu denken und dem Gewinnsuchts- und Konkurrenzdenken allen Raum zu lassen. Ihre geistige Beschränktheit zeigt sich sogar dann, wenn sie nebenbei ernsthafte Bücher über den Gang in der Welt schreiben. In den Taten aber bleiben sie kleindenkerisch und engstirnig, es ist ein
Must für diese Herren (und leider immer mehr Damen), ihre Denkkraft zu bündeln auf ein Ziel des fortschreitenden Wachstums (was immer tödlich endet), der gegenseitigen Konkurrenzierung bis zur Zerstörung, der Vernichtung von Ressourcen, von Boden und schliesslich von Menschen. Würden sie anders handeln, käme sofort ein anderer auf ihren Stuhl und fertig lustig wäre es mit Gott spielen in ihrem Machtbereich der wirtschaftlich Einflussreichen. Und deshalb geschieht in der Wirtschaft immer das Gleiche: Wir werden Zeugen einer Einbahnstrasse der Verwüstung und der geistigen Öde. Wir können sie bewundern oder verurteilen, diese Manager der realen Macht, doch sie bleiben genau so wie sie sind gemäss dieser Beschreibung, solange unser Gesellschaftssystem bleibt, was es heute ist. Auch dies wiederum ein Grund für die Denkrichtung meiner Texte.
Apotheose in der Kultur: Ein Künstler, ob Musiker, Literat, Maler, Bildhauer, Theater- oder Filmschaffender erlebt wohl die Apotheose dann, wenn er plötzlich weltbekannt wird, sei es über einen Nobelpreis, einen Oscar, ein Buch, das in die Bestsellerliste kommt, eine Ausstellung, die in allen Zeitungen und Fernsehstationen der Welt propagiert wird oder einfach dadurch, dass er noch vor dem Tod oder meist hinterher erfahren darf, dass sein Wirken eine weltweite Bewunderergemeinde hinterlassen hat. Je nach Charakter dieser Menschen werfen sie sich nun an die Front der Eitelkeiten und verblöden allmählich oder sie ziehen sich zurück und versuchen, sich ihr Genie in der Zurückgezogenheit zu bewahren. Doch eine fatale Veränderung im Kopf geht immer mit dem Bekanntwerden einher. Man "weiss" jetzt bei jeder Handlung, dass man "Werte" schafft und daher eine ungeheure Wirkung erzielen kann. Deshalb wohl schufen viele Kulturträger ihre Werke, bevor sie allgemein anerkannt und bekannt wurden. Sie spüren instinktiv, dass sie Grosses schaffen, doch sie können sich ihres Genies nicht sicher sein und so arbeiten sie immer weiter, indem sie allerhöchste Ansprüche an sich stellen, denen sie doch nie genügen können. Ob der Schaffer (die Frau ist immer mitgemeint, ich unterwerfe mich da nicht diesem blöden feministischen Sprachgebot, einen Menschen sprachlich stets in männlich und weiblich zu teilen, was das Lesen unerhört erschwert und jeden vernünftigen Gedanken unterbricht), also, ob der Schaffermensch dann auch ein Genie ist, zeigt sich erst in seiner Langzeitwirkung. Und so geschieht es, dass Popgrössen sich plötzlich als Halbgötter wieder sehen, ja nur schon die Anwesenheit in einem Container des "Big Brother" kann zu der totalen Geistesverblödung führen, die mit der Apotheose des eigenen Seins einhergeht. Das wirkliche Genie wird sich nie und nimmer als "Gott" fühlen können und deshalb erleben diese Menschen dann auch die Apotheose nicht wirklich.
Das Stichwortverzeichnis zu diesem Text ging ursprünglich von mir selbst aus, ich war auf der Suche nach meiner eigenen Apotheose, und somit soll auch noch geschrieben sein, was da herausgekommen ist: Eigentlich warte ich noch immer auf so etwas wie eine Apotheose in meinem Leben, doch die Gründe, die mich zu Texten anstifteten, sind das eigentlich Interessante. Kürzlich erinnerte ich mich in der Nacht, als ich wieder einmal nicht schlafen konnte (meine Texte entstehen fast immer aus Stichworten, die ich nachts in unleserlicher Schrift in meinem Bett auf ein Blatt werfe, bevor ich das Weiterschlafen übe), wie ich in frühester Jugend von jedem erwachsenen Menschen glaubte, dass dieser geistig sehr mächtig sei, insbesondere die oben beschriebenen wirklich Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Kultur. Nie begriff ich, warum zwischen dieser Annahme und der Realität ein riesiges Loch klaffte, denn meine Erwartungen an das Denken dieser Menschen wurde dauernd enttäuscht und nie, absolut nie, dachte ich daran, dass dies daran liegen könnte, dass ich schon als Kind schärfer über komplexe Dinge nachdachte als andere Menschen, die entsprechend meiner eingebildeten Anschauung einfach viel mehr wissen mussten als ich selbst. Dies änderte sich erst allmählich, Stück um Stück wurde meine Unterwerfung in die Erkenntnis umgewandelt, dass ich selbst der Grund für diese geistige Zurücksetzung bin. Diese Stücke waren: Aus einer Gesamtschule (8-Klassen-Schule in einem Zimmer) im Zürcher Oberland wieder in die Stadt Zürich zurückgekehrt, schaffte es der "Bauernidiot", wie ich genannt wurde, zum Klassenersten in nur einem Jahr, die kaufmännische Lehre schloss ich als Zweitbester der Lehrabschlussprüfung der Stadt Zürich unter über 900 Lehrlingen ab, als Rekrut der Kanoniere, im Zug der Romands eingeteilt, wurde ich als Deutschschweizer und wegen meiner beiden linken Hände fast nie ans grosse Geschoss vorgelassen, doch an der Richterprüfung holte ich als Viertbester der Rekrutenschule Sion mit der Kanonierauszeichnung die Kohlen aus dem Feuer unseres Zuges und wurde als Held gefeiert, die Eignungsprüfung in der Englischschule in Bournemouth stellte mich in eine Elementarklasse, fünf Monate später fand ich mich als Klassenerster der Proficiency class wieder, Buchhalterdiplom unter den Ersten der Schweiz, die Prüfung zur Erreichung des Wirtschaftsprüfer-Diploms nur als Zweitbester der Schweiz abgeschlossen, weil ich im Kurzvortrag eine lausige Note holte, und schliesslich avancierte meine Karriere in Kürze vom Hilfsrevisor zum Direktor einer grossen internationalen Treuhandgesellschaft. Doch dies war vor dem professionellen Absturz, der mir die geistige Freiheit schenkte und sich sogar auch materiell sehr vorteilhaft auswirken sollte. Dies alles und noch viel mehr hätte mich eigentlich überzeugen sollen, dass die Beschränktheit der Mitmenschen doch viel grösser sei, als von mir als kleiner Bub angenommen. Doch bis heute schaffe ich es nicht, die Relationen im richtigen Licht zu sehen. Auch meine Texte führen in die Irre: Wenn hier öfters Überheblichkeit aufscheinen mag, dann war und ist es in Wahrheit immer eine Suche, eine Verzweiflung, ein schieres daran Zerbrechen, dass nicht "gesehen" wird, was in der Welt vor sich geht. Nicht als Kommando verstanden, meine Sicht der Dinge zu übernehmen, sondern schlicht als Erkenntnis, dass den Gedanken entweder nicht gefolgt werden kann oder dass diese Gedanken von einer Blödheit sind, dass ihnen besser auch niemand folgt. Und so werde ich wohl ein Leben lang auf so etwas wie eine Apotheose warten, mit der Folge, dass nach dem Tode .... siehe oben.
Nach dieser Klammer der Selbstentblössung nun wieder zu Wichtigerem, den eigentlichen Apotheosen in dieser Welt, die von vielen immer noch erwartet werden, auch wenn niemand sagen kann, was er eigentlich erwartet von gottgleichen Menschen, die ihm den richtigen Weg aus der absehbaren Misere zeigen sollen. Wie wirkt sich dieser Glaube an eine Apotheose des Menschseins in der Geschichte aus? Eine wirkliche Apotheose schwebte den Gläubigen an die marxistische Lehre vor. Wie wir alle heute wissen, ist sie zerbrochen, nicht am sehr gescheiten Denkmodell, sondern am staatlich praktizierten Glaubensbekenntnis des Kommunismus, an der menschlichen Dummheit und an den Allmachtsträumen von Diktatoren und Grossmachtsführern. Doch warum sollten sich die Systemgewinnler triumphierend totlachen über dieses Versagen ihrer Gegner, wenn ihnen selbst die kapitalistische Scheisse bis zum Hals steht? Im Grossen und Ganzen machten die Kommunisten dasselbe wie die Kapitalisten: Menschen, Tiere und Natur ausbeuten, dem Wachstum und dem Fortschritt frönen, die vorhandenen Güter der Erde und des Wassers ausbeuten für nur wenige Generationen, gegen Schwächere Kriege führen und Terroristen und Folterstaaten unterstützen, die geistig "auf der richtigen Seite" sind, und viel Schwachsinn mehr, der von den obgenannten Politikern als geltendes Muster der Apotheose verlangt wird. Hier könnte wieder das Wort "Überheblichkeit", die in meinen Texten aufscheint, vermutet werden, doch ich habe ja geschrieben, dass "Verzweiflung", ja eigentlich "Traurigkeit", die Worte der Verursachung meines Schreibens sind. Mein Wunsch sei es, dass mein Denken alleinseligmachend wirke? Unsinn! Es ist doch klar, dass wenn man in weiten Horizonten denkt, nur deshalb nicht in den Wahnsinn abdriftet, weil man zu "sehen" versucht, was in der Welt wirklich vor sich geht. Weil man sich einen eigenen Freiraum des Denkens geschaffen hat, von weit her im All das Erdgeschehen zu sehen versucht und sich selbst als irren Protagonisten des Geschehens erkennt, in seiner ganzen Kleinheit, Verwundbarkeit und vom Zufall abhängig, wie ein Blatt im Wind von unbestimmbaren Mächten getrieben, eine jederzeit verletzliche und endbare Materie.
Wenn ich immer wieder die "Traurigkeit" als alleinige Metapher der Welt sehe, so deshalb, weil ich nirgends einen Gott der Vernunft und der hohen Ethik erkennen kann, schon gar nicht in den vielen selbsternannten oder von Völkern gewählten Pappfiguren, die sich als Stellvertreter Gottes auf Erde sehen nach deren Apotheose in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Und so habe ich mich für ein heroisches Lachen beim Erkennen des Wirklichen entschieden, jedenfalls für die Restzeit meines real gegebenen Lebens. Für die Zeit meines virtuellen Todes kann dann immer noch "das Zeitalter der Traurigkeit" über die Welt hereinbrechen, wenn wir das Kunststück der Apotheose für die Menschheit im realen, planetaren Leben, also den Willensakt des realen Überlebens, nicht schaffen.
Somit verkommt unsere Zeit des Verlachens des Realen zur Philosophie der Traurigkeit als Folge des Nichterkennens, was Wirklichkeit ist. Liegt hier eine geistige Anmassung eines Einzelnen vor? Überlassen wir der Zukunft - wenn eine Restmenschheit auf Wahrheitssuche gehen muss - die letzte Antwort auf diese Frage. Dann wird erstmals auch verstanden, dass die Apotheose des Menschen nur ein Wunschgedanke einer Gattung war, die nie erkannt hat, dass der Mensch nicht Gott spielen oder gar Gott sein kann, ohne Schaden zu nehmen, nicht nur an seiner "Seele", sondern - viel schlimmer - am Wesen seines reellen und philosophischen Seins. Was hier biblisch daherkommt, heisst nichts anderes, als dass uns Menschen eine Apotheose, eine Gleichsetzung mit einem selbstgedachten Gott, geistig nur vernichten kann.
Es wird Zeit für die Traurigkeit nach dem Tode der Gattung Mensch.
René Delavy