Ein ganz gewöhnlicher Tag
Die wenigsten Menschen sind sich bewusst, was an einem ganz gewöhnlichen Tag alles geschieht, es lohnt sich, dieser Abschnitt eines Lebens einmal festzuhalten:
Der Tag beginnt
Irgendein Tag - der heutige. Schon dies wird
nicht begriffen werden - was ein Tag in Wahrheit ist - dies kann niemals ein
Mensch begreifen, auch wenn es erklärt wird.
Seit Bestehen der Menschheit - eine Zeit über
etwa 100'000 Jahren der Evolution, sind 36'500'000 oder 36 Millionen Tage
vergangen, also Umläufe der Erde mit jeweils einem Tag und einer Nacht.
Ignoranz - unvorstellbar:
Kein Mensch weiss, was eine Million, eine Milliarde
oder eine Billion oder gar Quadrillion ist. Deshalb begreift auch keine Sau die
35 Billionen Dollar an Schulden des Staates USA, oder dass Trump ein Vermögen von
Null hat, weil alles fremdfinanziert ist und der Kerl deshalb seit 20 Jahren
keinen Cent Steuern abliefern musste.
Natürlich sind sozusagen 99,999 % aller Menschen völlig ignorant und paranoid, aber dies begreifen sie auch dann nicht, wenn ich jetzt EINEN TAG meines Lebens erzähle - ein sehr gewöhnlicher Tag - keine Weltreise oder ein geschissenes Kreuzfahrtschiff.
Es geht los:
Es geht los mit
der Dialyse
Ich erwache aus einem unverständlichen Traum -
er beginnt immer in Romantik und endet grauenvoll - und ich tappe nach dem Lichtschalter.
Gleissendes Licht aus einer Bogenlampe - und es ist erst 4 Uhr. Ich lösche das
Licht und tappe im Dunkeln den trickreichen Weg ums Bett hinaus ins WC - bereits
zum dritten Mal in dieser Nacht - der Preis des Alters.
Erst um 6 Uhr lärmt der Weckerradio und mahnt
zum Aufbruch in die Dialysestation in Schaan im Fürstentum Liechtenstein.
Sofort runter in die Küche, Kaffeemaschine an,
Kerzenlicht, Butterbrote und kurz reflektieren über die Einladung gestern meiner
Tochter plus ihr Ehemann gestern in der "Linde" beim Schloss Kyburg.
Schloss Kyburg
Die Erinnerung geht an die Eiserne Jungfrau
als wir noch Kinder waren. Aber dieses Mal wird es erfreulicher: Ein fantastischer
Saal mit grossen runden Tischen, weisse Tischtücher, edles Glas und Geschirr, grosse
Ruhe, Kronleuchter an der Decke, rund herum Kerzenlicht.
Der Wirt kommt angerauscht, äusserst höflich,
bewundert unseren Hund unter dem Tisch, rückt das Porzellan zurecht, nimmt die
Bestellung auf, etwas Saltimbocca, bester "Oro del Gudo" ein Merlot
aus dem Ticino - und dann viel Gelächter, Erzählungen, unsere Sorgen, Alexis unser
Hund der gebrechlich geworden ist, der Wirt giesst nach, bringt den zweiten Gang.
Wir erinnern uns an unsere kuriosen Leben - grinsen
darüber dass das Geld nur noch der einige Mittelpunkt ist bei allen anderen Familien,
und dies um den realen Mittelpunkt einer Spirale in der Milchstrasse - ohne Raum
und Zeit - was ich zum Schrecken meiner lieben Rita wieder einmal aufs Tapet
bringe.
Wir schweben durch die Nacht des Universums
und halten eine Generation aus Tausenden für das einzig Wichtige im Leben - also
im Weltall.
Der Weg zum
Schafott
Wenig später im uralten Nissan mit 140 km/h
auf der Autobahn Richtung Norden - bei der Raststätte Rheintal wie immer - drei
Mal die Woche - die NZZ kaufen und um punkt 6,45 Uhr im Lift hinauf in die
Dialyse zum Blutwasch.
Es gibt nichts zu beklagen
Eine unnütze Operation in Chur an der Pankreas
hat die Nieren geschädigt und zur deren Versagen geführt - wie auch das Alter
wie man mir beichtete - und es geht ums Gewöhnen an eine neue Taktung des Lebenslaufes,
kurz vor dem Tod als Ratschlag für alle, die ewig leben möchten.
Ich werde betreut von etwa 15 Pfleger*innen*Innen
oder Krank-Personen oder Schnickschnack der Weiberspraack und von 5 Ärzten
beiderlei Gegenders und schreibe sofort auf meiner Liege in einen Block -
während mein eigenes Blut durch zwei Röhrchen x-Mal durch die Maschine läuft -
um 8 Uhr kommt ein riesiges Gipfeli mit Kaffee und es wird geschrieben, was ich
dann zuhause in den Computer hämmere - im Zweifingersystem, seit ich mit Glas einen
Finger ruiniert hatte.
Wenn alles übertragen ist in meine BLOGS, geht
die Sache per E-Mail an zahlreiche Medien - in 3 Sprachen - also deutsch, english
und franz.
Bücher
Und dann die NZZ und eines der über 100 Bücher
lesen an der Maschine, die ich pro Jahr bei Orell kaufe. Inzwischen füllen die Bücher
den Estrich, eine Kammer und drei riesige Gestelle im Aufgang von der Garage
zur Haustüre.
Meine Lebenspartnerin
und Rustico
Also eben diese mit Namen Rita besitzt ein Rustico über dem Lago d'Orta im Piemont in der Nähe des Lago Maggiore. Sie verbringt ihre Sommermonate da unten mit haufenweise Katzen und auch die Italiener, die sie verehren, weil sie so eine lustige und freundliche Person ist - und sogar die schweizerischen Hausbesitzer in der Gegend gehen nicht mehr ohne ihre Gesellschaft in die Beizen rund um diesen See.
Taktung des
Lebenslaufes
Wir sind alle alt geworden und haben zum
Prinzip:
Lebensqualität muss her, die Tage noch
geniessen, gut essen und trinken, unsere Tiere umsorgen, dass auch sie ein schönes
Leben haben, den Felsengarten ums Haus pflegen, die Jahreszeiten bewusst wahrnehmen,
sich der Realität bewusst sein und die Fakte so akzeptieren wie sie sind.
Abkoppeln von der Dialyse sei möglich - nach dem
Samstagmorgen sofort mit dem Auto nach Süden, die Zeit im Piemont geniessen
jeweils und am Mittwochabend zurück, damit der Blutwasch am Donnerstag sofort
wieder einsetzen kann.
Die Klage
Ich beklage mich nicht - wo jede Person die dieser
Welt gefoltert werden könnte, oder von den Juden bombardiert in Gaza, oder die
übliche Sklavenhaltung aller Staaten sind die unteren Idiotenschaften im Arsch,
dann die berechtigten Depressionen von jenen, die niedrig gehalten werden, die Huren
ohne Chancen - was für ein verschissenes Leben für die Einen, die von den
Anderen ausgenutzt werden nach Noten und Kanten.
Vorschau
Zuhause angekommen wird ein Hallo durch meine
Tiere erfolgen, der Hund ist froh um die Wiederkehr und die Katze lotzt mich zu
ihrem Futtertopf und die Rita bringt sofort einen Kaffee und ein Dreiminuten-Ei
- klar doch - Harmonie pur.
Heute ist die Hahnenkamm-Abfahrt und Odermatt
sollte wieder mal gewinnen.
Der Pfleger kommt und es ist 10,30 Uhr am 25. Januar 2025.
Und so geht es weiter:
Auf der Autobahn
Es ist interessant zu sehen, was alles auf
einer kurzen Strecke von 15 Kilometern geschehen kann. Heute kenne ich inzwischen
die Ausschnitte, die besonders interessant sind und wo im Winter die Sonne reinscheint
oder von der Bergkette zu Malbun beschattet werden.
Ich bilde mir ein, immer eine tolle Kontrolle
rund ums Auto zu haben, aber als ich hinter einem Lastwagen ausscheren will, kann
ich mit Not den Zusammenstoss mit eines im Sichtschatten fahrenden Autos
vermeiden. Bei der Ausfahrt in Sargans wird es kompliziert an schönen Tagen am
Wochenende, weil sich der dichte Verkehr über Kilometer stauen kann. Und die
Lichtorgie der Verteilanlage beim riesigen Einkaufszentrum Pizol ist jedes Mal
ein Beweis, wie kaufsüchtig unsere Gesellschaft geworden ist.
Die Hundeübergabe
und Drama
Kaum zuhause angekommen, erfahre ich, dass
Sacha mit Familie auf dem Weg ins Montavon zum Skifahren längst ihren Hund
Tyson hätten bringen sollen. Also sofort die Apparatur zum TV bedienen und die Skirennen
der Abfahrten in Kitzbühel für Herren und in Garmisch für die Damen auf DVD
schalten. Später werde ich sehen, dass der Kanadier Crawford und die Tessinerin
Gut-Behrami die Rennen gewinnen konnten, was ich geniesse in aller Ruhe mit
Tyson an meiner Seite.
Und schon ist die Familie da, der Tyson liebt
mich über alles und stösst mit seinem Kopf gegen meine Seite und lässt sich kraulen.
Es ist der wärmste Tag in einem Januar aller Zeiten und so gehen wir nach
draussen auf die Sonnenseite des Hauses und Sacha erklärt mir, wie sein Sohn Maxi
von einem Zigeunerkind auf dem Schulplatz spitalreif geschlagen und getreten
wurde und nun ein Strafverfahren gegen die Eltern laufe. Die Mutter von Maxi -
Alexandra - konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, den blöden Täter zu
ermorden.
Und schliesslich sei eine Klage gegen ihn -
den Treuhänder - am Laufen über Millionen. Er habe nur netterweise den Verwaltungsrat
gespielt in einem Hedge Fund, wo krumme Sachen hinter seinem Rücken eingefädelt
worden seien - und nun müsse er einen Rechtsanwalt beschäftigen.
Ich erzähle der Familie wie ich in meinem
Beruf als Wirtschaftsprüfer Dutzende von kriminellen Fällen gesehen hatte, wie
man Staat und Steuerbehörden bescheissen habe. Aber am schlimmsten sind immer
noch die legalen Gesetze, wonach Konzerne und die Reichsten weltweit beinahe
keine Steuern leisten müssen, während der Staat die unteren Volksteile schikaniere
bis aufs Blut und eigentlich von einer Sklavenhaltung zu reden wäre.
Sport und Events
Die Übertragung von 59 Sportarten und die
irredummen Events und verblödende Unterhaltung nimmt in allen TV Kanälen, aber auch
im Sozialen Netz, dermassen überhand, dass ich mich wundere, dass überhaupt
noch ein normaler Mensch herumläuft. Es geht nur noch um Hundertstelsekunden,
um Verteilung von Geld, um Illusionen des Lebens, um idiotische Gefühlsduselei
für Weiber den ganzen Tag, wenn sie nicht gerade auf ihrem Smartphone
herumdrücken und irreblöde Gespräche führen.
Trump ist nur ein Sinnbild und die Spitze des der
Einfalt der Völker sowie der Beweis, dass die ganze Welt am Verblöden ist.
Essen
Wir haben uns seit wir die 80 überschritten
hatten zum Ziel gesetzt, dass im letzten Zehntel des Lebens wir noch so gut die
Tage verbringen, wie es nur geht. Landschaften und Reisen und Tiere und das Essen
geniessen und jeden Tag leben, wie wenn es der letzte wäre.
Und so ist die Diskussion was Rita als Tagesmenu vorbereite, einer der relevantesten Punkte des Alters: Diesmal gibt es Pangasiusfisch mit Zitronenreis und ich mache die Salatsauce und bereite den Nüsslisalat vor.
Dazu Mateus Rosé aus Portugal und so sitzen
wir später am Tischchen mit den Gobelinstühlen auf der Sonnenseite der Stube,
wo diese bereits den Bergkamm streift und essen und trinken und diskutieren um die
Lage der Welt, während mein Hund Alexis und der Besucher Tyson sehen, dass sie
etwas Wirst bekommen und die Katze Luna hat sich verzogen, sie liebt keine
Besucher - jedenfalls vorläufig. Später wird sie sich in Tyson verlieben.
Keith Jarett
Die Abendprogramme am TV sind dermassen eine
Volksverdummung geworden, dass wir in der Regel eine vorbereitete Sendung
schauen.
Diesmal ist es eine Dokumentation über die
Karriere von Keith Jarett. Sein Köln-Konzert musste ich am früheren Wohnort auf
dem teuren HIFI Gerät 50 Mal gehört haben, in einer Lautstärke, dass der Nachbar
mich anfragte, ob es auch leiser ginge, ich würde den ganzen Zürichsee
beschallen, was besonders ärgerlich wäre mit der H-Moll Messe von Bach - kaum
zu ertragen.
Keith Jarett ist nur ein Beispiel aus Hunderten
von Musikstücken in Klassik, Rock n' Roll, Blues, Miles Davis, Me and Bobby McGee
von Janis Joplin und unzählige faszinierende Musikerwerke aller Zeiten, die ich
im Blog festgehalten habe.
Der Tag geht zur
Neige
Längst ist es dunkel geworden, bei uns am Berg
schon um 5 Uhr abends. Hundemüde gehen wir alle langsam ins Stockwerk der
Schlafzimmer, aber vorher müssen die Hunde raus in den Felsengarten und ihr Geschäft
verrichten, sie saufen noch in der Küche für die Nacht.
Der alte Alexis geht mühsam Treppentritt um
Treppentritt nach oben ins Schlafzimmer von Rita, wo die Katze Luna bereits in
ihrem Körbchen schläft.
Ich schreibe noch etwas auf dem Computer -
auch an dieser Geschichte - und dann noch ein Kapitel in einem meiner über 100 Bücher,
die ich pro Jahr lese, müde ins Hirn gestopft, bevor die Nachtruhe den Tag zum
Verschwinden bringt - ein Tag wie jeder andere - aber auf dem Weg zum Ende, dem Tod, den kein Mensch je vermeiden
konnte.
René Delavy - Côte d'Azur
written on January 25, 2025