Singapore
There were times als ich im Fernen Osten ziemlich
rumkam, beruflich zuerst und dann auch fürs Vergnügen.
Meine Bücher sind voll von diesen Erlebnissen. Da aber
die NZZ einen ausführlichen Bericht über Singapore als Oase für Reiche
beschrieben hatte, will ich meine Erinnerungen etwas aktivieren:
Die Stadt gilt weltweit als eine Art
"Modellstadt".
Ich war da um etwa 1980. Aber ebenfalls in Hong Kong,
Manila, Zamboanga, Bangkok, Pataya, Colombo, Kandy- und natürlich auch viele
kleinere Städte und das ganze Umfeld bis in den Urwald.
Die Erlebnisse wurden in zahlreichen Texten
festgehalten - sehr ausführlich in "Sex-Geschichten eines Flegels".
Als Beispiel will ich mich auf Singapore konzentrieren
und eben einen Vergleich mit einem Artikel in der NZZ und meiner Sicht auf
"Google Earth" anstellen.
Am Flughafen konnte ich einen Taxidriver überreden,
mich mehrere Tage mit der Stadt vertraut zu machen. Er war Familienvater und
verschwand jeden Abend um 7 Uhr.
In Erinnerung geblieben - 1000 Details - aber insbesondere:
Ein fürchterlicher Park mit Tötungs- und Sadismus-Szenen
(Tod vom 100 x sterben) - ein chinesisches Restaurant im Chinaviertel mit nur 3 Tischen
- dann ein Puff mit der Wahl einer Escort, ein Crocodile, die beste Frau meines
Lebens - ein riesiger Biologiepark mit seltenen Bäumen, Blumen, Goldfische und
Enten in zahlreichen Teichen mit vielen Brücken aus Holz - eine Schwebebahn auf
eine Insel im Entstehen mit Milliarden von Tonnen geklauten Sandes - eine Bank
die kein Geld ausgab - ein Mädchen welches mich ihrer Familie vorstellte in
einer Riesensiedlung am Rand der Stadt…
Kürzlich ging ich auf Google Earth und entdeckte, dass
Singapore keine Stadt ist, sondern eine Insel mit Feldern und Pärken - alles
abgegrenzt gegen Malaysia durch eine breite Wasserstrasse.
Wer will kann sich einkaufen und Singapurer werden.
Und das Schicksal von dieser Stadt? Wie etwa Hong Kong
- volle Abhängigkeit von Importen und riesiger Steuerbetrug zu Gunsten der rich
Class.
Also Oase nur noch für Spinner mit Kohle.
Im Laufe des Niedergangs des Kapitalismus wird Singapore
im Elend verenden.
Ich hatte die beste Zeit von allen erwischt - so ging
es mir immer, beinahe auf allen Reisen und Ferien, denn die Welt wird jetzt so
allmählich verrecken auf allen Kontinenten.
René Delavy - January 2025
Wenn Reisen nutzlos sind
Reisen eines Lebens
Heute las ich von den
Begründern der Bibeln um Lonely Planet. Irgendwie öde, einer
Massenbevölkerung von Billigreisenden beizubringen, wie man den Planeten
am raschesten vernichten kann.
Ich war mir zu jeder
Sekunde meines Lebens bewusst, dass ich auf dem einzigen Planeten im
Weltall lebte, der von Menschen bewohnt ist und eigentlich ein Paradies
sein könnte. Ebenso waren mir immer bewusst:
- Dass ich in einer Sekunde der Ewigkeit der Zeit mein Leben hatte
- Dass ich in der Unendlichkeit des Raumes ersaufe und nicht weiss, wo ich bin
- Dass sich die Erde um die Achse zu Tag und Nacht dreht und in 365 Tagen mit Jahreszeiten um die Sonne
- Dass wir eigentlich ein Paradies haben auf der Erde, das vernichtet wird in nur 100 Jahren
- Dass die Menschen - alle - unglaublich blöde sind und nicht denken können, selbst wenn sie wollten
- Dass die Umherreiserei ein Wahnsinn ist, ohne jeden inneren Wert, ohne Ethik, ohne Bewusstsein
- Dass es nicht schade ist, wenn diese Drecks-Menschheit endlich verreckt bis zum Jahr 2099
Nun denn, eigentlich
verstärkte sich dieser Eindruck von Jahr zu Jahr mehr, sodass die Reisen
meiner Tage bis etwa zum 50. Altersjahr eigentlich etwas zu verklärt
waren.
Ich zeige nun, wo ich war im Leben:
Für längere Zeit:
- Zürich, Schümberg
bei Elgg, La Chaux-de-Fonds, Genève, Bournemouth, Pfäffikon SZ und
Wollerau und später dann Roquebrune bei Monaco und am Ortasee im
Piemont.
Längere und wichtige Reisen waren:
- England im Süden,
Côte d'Azur, Hongkong, Singapore, Thailand, Sri Lanka, Portugal,
Andalusien, Venedig und Toskana, Rovinj, Philippinen, Normandie, Paris,
Dänemark, München, die gesamte Schweiz, vor allem für Skifahren und
Radfahren in allen Gebieten, das Tessin, das Wallis wo meine Mutter
herkommt, Süddeutschland, Rügen, Arcachon, Küste Kroatiens bei Split,
Budapest, Prag, Donaufahrten mit dem Rad, Mallorca zum Baden und mit dem
Rad, alle Küsten Italiens inklusive San Remo.
Und wo ich nie war:
-
Afrika, USA, Südamerika, Australien, Russland, nie höher als Dänemark,
nie östlicher als Korfu (abgesehen vom Fernen Osten), nie südlicher als
Algarve oder Siena, nie westlicher als Cornwall.
Also kein Vergleich
mit Wheeler von Lonely Planet. Aber ich mache jede Wette, dass ich viel
mehr erlebte als dieser Kerl, weil es auf das Hirn ankommt.
Dieser Wheeler ist
eigentlich dasselbe wie alle seine Idioten, die er vertritt. Er will der
Erste sein, der ein neues Land, Strand, Stadt, Kaff oder Wüste entdeckt
und dann schreibt er darüber und dann ist der Ort kaputt. Er ist eben
ein Arschloch.
Ich hingegen könnte
von jedem Ort der oben erwähnt wurde, ein Buch von 3000 Seiten
schreiben, ohne irgendwelche Probleme. Denn neben den Orten und den
Leuten, den Beizen und den Hotels ist da eben etwas, was 99 Prozent der
Menschen nicht einmal erahnen könnten:
Es geht um
Philosophie, Lebensgefühl auf höchster Abstraktionsebene, die gesamte
Verunsicherung bei Reisen, nicht wegen der Sicherheit, sondern wegen der
Vergänglichkeit.
Nur ein Beispiel:
In Hongkong war ich
mehrfach um einen sehr reichen Schweizerkonzern zu prüfen. Wir waren
untergebracht im Ocean Center und am Wochenende wurden wir mit
Schnellbooten auf einsame Inseln gebracht, zwecks Wein, Grilladen und
Zeitvertreib. Eine Hure zu bekommen war beinahe unmöglich, und wenn sie
kam ins Zimmer des Hotels, war sie nach 5 Minuten wieder draussen, was für ein Kontrast zu Thailand, wo man sich durch eine Armada von jungen Mädchen vögelte während Wochen.
So, und obschon ich
in Hongkong die Schokoladenseite im Peninsula Hotel, dem damals
teuersten Hotel der Welt, geniessen konnte, blieben mir meine langen
Fussmärsche durch diese Stadt - und da sah ich, was kein anderer Mensch
je sah - die Zukunft einer toten Stadt der Masse, genau so wie in
Manila, Singapore, London, Paris, Bangkok, Genua, Mailand und viele
andere - und mir war glasklar bewusst, was es heisst für Einheimische,
in dieser Stadt zu leben. Das Gehetze, die Balkone von Hongkong als
zweite Wohnstube, die Unterdrückung der Armut und der Verzweiflung
jener, die jederzeit ins Elend stürzen könnten, dann die Herren mit den
Ferrari und Rolls Royce, die ein Hirn aus Stahl haben und total
verblödet sind vom Geld.
Man muss sehen, nicht
reisen. Man muss denken, nicht herumfurzen wie blöde und dann glauben,
man hätte was erlebt. Mit dem Taxidriver hatte ich in Sri Lanka mehr
philosophische Gespräche im Auto und bei meinen Einladungen am Abend ins
Restaurant, als mit irgendeinem Freund in meiner Heimat. Und er war
auch intelligenter als alle meine Freunde, obschon er lebte in einem
Häuschen und mir stolz die einzige Elektrobirne zeigte, die in einem
kahlen Raum von der Decke hing.
In Mallorca entdeckte
ich, dass dieser Reiseholocaust im Westen tatsächlich einsame Küsten
besitzt, die an Schönheit unübertrefflich sind und von oben sah mein
einige riesigen Villen in den Urwäldern dieser Küste. Das war damals.
Heute - da bin ich überzeugt - ist es auch hier die reine Scheisse.
Nie habe ich mich
unsicherer gefühlt in der Welt, als mit einer Hure in London, als ihr
Freund mich in immer wildere Slums entführte und ich echte Todesangst
ausstand. Dass am Schluss eine wunderbare Vögelei mit Kuchen und Tee in
einem windigen und unfertigen Neubau winken würde, konnte ich mir erst
vorstellen, als der wilde Kerl seine Raserei vor eben diesem Gebäude
beendet hatte. Ich gab beiden ein riesiges Trinkgeld am Schluss - und
heute denke ich, obschon es 30 Jahre zurückliegt, ebenso an diese
Menschen, wie an die auf jung gemachte alte Hure in Singapore, die mir
gestand, dass sie sich nächstens vom höchsten Wolkenkratzer der Stadt
stürzen würde, das sei das Ende jeder Hure in dieser kapitalistischen
Stadt, wenn sie keine Idioten wie mich mehr fänden, die ihr Alter nicht
einschätzen könnten.
Man sieht also, wo
der Unterschied liegt im Erleben von Reisen und von Fremdheit und von
Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft: Es liegt allein am Betrachter und
dessen Fähigkeiten, die Welt auch wirklich wahrnehmen zu können.
Und man sieht auch,
dass wo ich immer beginnen würde, ob in Granada oder in Carcassonne,
eine endlose Geschichte von höchstem Wert resultieren könnte, nur weiss
ich nicht wo beginnen - und zudem finden sich in den 10000 Seiten an
Literatur, die ich bisher schrieb, beinahe zu allen Stationen meines
Lebens feine Geschichten, nur eben eingepackt in Kapiteln zu Sex,
Frauen, Philosophie, Kultur, Geopolitik, Religionen, Wissenschaft,
Wirtschaft des Grauens, irgendwie habe ich alles gespeichert an
Äusserlichkeiten, die in meinem Leben passiert sind.
Und meine 10 Bücher
enthalten nicht nur das Äussere des Geschehens, sondern viel wichtiger
noch, das Innere, die gesamte Philosophie des Seins - und dies war nur
möglich, durch Ortsveränderung.
Und der Mangel, die USA oder Afrika nicht bereist zu haben?
Hier muss ich in
aller Klarheit sagen: Wer alle Dokumentation gesehen hat am TV, die
Radiosendungen gehört, die Illustrierten geblättert, die feine Literatur
gelesen, weiss mehr OHNE Besuch der Städten Las Vegas und New York, als
alle Idioten, die effektiv dort gewesen sind.
Es ist einfach so: Wer nicht denkt, der reist nicht - und selbst wenn er sämtliche 200 Staaten der Welt zu Fuss abgekarrt wäre.
Leben ist Denken - und wer nicht denkt - ist ganz einfach nur tot.