Karl Marx
(15.5.1795 bis 17.5.1866)
Karl Marx gilt als wirtschaftstheoretisches Denkmal, das die Weltgeschichte prägte, aber am Schluss gehörig wackelte. Zum einen sehr zu Recht, weil Marx trotz hoher Intelligenz unerhört naiv war, zum anderen, weil das Triumphdenken der Kapitalisten falsche Schlüsse gezogen hat. Nicht nur sein Kommunismus, geboren aus der Kritik der politischen Ökonomie, und sein Kapitalismus, geboren aus dem "Kapital", tun im Nachhinein weh, nein, bei Lichte betrachtet auch die Heuchelei, die Menschenfreundlichkeit, die von seinen Thesen ausgeht. Konnte Karl Marx denn nicht vorausahnen, dass seine Lehren in die Hände eines Lenin, eines Mao oder gar eines Stalin geraten würden und schliesslich zu Leninismus, Maoismus, Stalinismus, Titoismus und anderen personifizierten Abarten des Sozialismus pervertieren mussten? Konnte er nicht wissen, dass mit seinen Lehren, mit der Idee der Verteilung von Geld zu Gunsten von allen so verfahren wird, wie wenn man Affen diktieren wollte, ihre Affenscheisse korrekt unter alle zu verteilen? Ich meine Folgendes: Es musste den Menschen doch schon sehr früh klar werden, dass Geld nicht nur ein Umverteilungsproblem darstellt, sondern auch die Gefahr in sich birgt, es zu verabsolutieren. Wo nur ist die Lehre vom Absoluten bei Marx?
Stattdessen entstanden schwer verständliche Gedankengebäude mit Begriffen wie dialektischer Materialismus, historischer Materialismus, wissenschaftlicher Sozialismus, Kritik der politischen Ökonomie, es wurde hantiert mit Worten wie Profit, Mehrwert, Produktionsmittel, Fortschrittsglaube, Lohnabhängigkeit, Unternehmensziele usw. und es wurde eine Theorie der Wirtschaft entwickelt, wie mehr Gerechtigkeit in der Verteilung von Arbeit, Geld und Profit erwirkt werden könnte. Dieses Gedankenmodell geht von einer Illusion aus, der irrigen Vorstellung nämlich, dass mit Geld und Arbeit allein schon Glück und Lebensqualität erreichbar seien. Die Idee ist nicht falsch, doch in ihrer Ausschliesslichkeit einfach hanebüchen. Wer die Welt als solche, die Plattform, die Erde ausklammert aus all seinem Denken, muss gezwungen sein, Gesellschaftsmodelle anzuregen, bei deren Verwirklichung kein Stein mehr auf dem anderen bleibt und am Schluss doch nur wieder die Cleversten und die Machtgierigsten obenauf schwimmen.
Wo bleibt hier die Psychologie, wo die Philosophie, wo die Naturlehre, wo die Evolution, wo die Massgeblichkeit von Geldeinheiten und deren Relativierung im Chaos, wo bleibt der Mensch, der neben Geld und Arbeit auch seine Ruhe und seine Kontemplation bewahren möchte? Mir kommen alle diese Theoretiker der Wirtschaft immer so vor, wie wenn sie in einem Elfenbeinturm verharren würden, umgeben von Büchern, die die Sicht auf das Meer und die Landschaften verstellen, wo der Bücherstaub in der Luft die Sinne vernebelt. Und deshalb schreiben die "Genies", diese Akademiker, diese Literaten, diese Philosophen des Schönen und Guten in ihren Denkgefängnissen solche Texte, die weder die Langfristigkeit der Verhältnisse noch die Machbarkeit in einer begrenzt nutzbaren Realität einbeziehen.
Ich will in diesem Buch nicht das tun, was alle tun. Ewiges Repetieren der Details aus den Lehren von Marx oder seinesgleichen. Dies kann jeder Idiot, Texte aus dem Internet herunterladen oder im Buchladen einkaufen. Dies ist nicht Denken, nicht Reflexion, sondern Nachvollzug unausgegorener Gedanken, übertriebene Vorstellung vom Nutzen von Lehren und Philosophie für die Menschen, nicht mehr, nicht weniger. Deshalb kollabieren alle Theorien früher oder später und deshalb ist dann jeder sehr gescheit, der die Irrtümer mit der Zeit entdeckt, so wie man nach dem Konkurs einer berühmten Fluglinie, der Swissair, das Bestehen einer Überschuldung von 18 Milliarden Schweizer Franken erst entdeckte, als die Swissair ihr Grounding abfeierte, die Flieger ohne Kerosin am Boden hockten, derweil keine Bank mehr bereit war, den Schuldenwahnsinn noch zu erhöhen. Die gescheiten Redaktoren von Wirtschaftszeitungen und die Wissenschafter aller Akademien erkannten dies bei der Swissair nicht und erkennen es auch heute bei Staaten nicht, erst recht nie zum Voraus. Sie vollziehen nur nach, was geschehen ist, lange nach dem Vorfall, und dann sind sie alle endlich unendlich gescheit im Beschreiben der Historie. Bei dieser Art von Intelligenz ist sogar mein Hund noch gescheiter, denn er antizipiert beim Spazieren immer, wohin ich als nächstes gehen würde und sucht eine Abkürzung des Weges. Gut, Leon ist ein Hirtenhund und hat gelerntes oder angeborenes Wissen. Nur komisch, dass diese Abkürzung des Geistes kein Mensch mehr schafft.
Gehen wir trotzdem von der Annahme aus, die Arbeitswelt, der Wert von Arbeit, von Ressourcen, von Geld, von einem System könnte geregelt werden, so dass es allen von Nutzen sei und dem Planeten nicht schade. Wie hätte so gesehen Karl Marx schreiben müssen und welche Effekte hätte er erzielt? Ich vermute, dass der Effekt gleich null hätte sein müssen, denn jedes zu umfassende Denkmodell prallt an der Realität der gedachten Alltagswelt der Menschen ab, und zwar an der Wahrnehmungskraft aller Menschen, den Arbeitern, den Angestellten, den Chefs, den Wirtschaftsmächtigen, den Wissenschaftern und den Genies. Es ist so, dass nur überschaubare Thesen von Machbarkeit berücksichtigt werden können in Ideologien, wie der Marxismus eine davon ist. Trotzdem hätte schon Marx schreiben können, dass Geld nur ein Schmiermittel ist, um Effekte, die ohnehin bestehen, zu beschleunigen oder aber, um das Getriebe zu blockieren. Er hätte seine Thesen ausdehnen können auf die Interessen in der Dritten Welt, auf die Interessen der Natur, der Tiere und der Pflanzen, er hätte sehen können, dass ein Sozialismus mit Herz, eine Idee der Umverteilung von Reichtum nicht ohne Grundprinzipien des Denkens vonstatten gehen darf, niemals. Er hätte wissen sollen, dass Denkmodelle, die neue Ungerechtigkeiten generieren werden, nie in die Tat umzusetzen sind.
War Karl Marx der beste aller Wirtschaftstheoretiker? Diese Frage ist aus meiner Sicht berechtigt, weil er so wie ich die Menschlichkeit als eines der Hauptanliegen in Rechnung stellen wollte. Sicher gibt es später modernere Sichtweisen. Vorher war schon Adam Smith gerade in seiner Einfachheit noch ein Vorbild, das man hätte vertiefen und verbessern können, so wie die alten Griechen immer noch die besten Philosophen sind, weil sie die Perversion des Denkens, die Machtansprüche einer einzigen Spezies noch nicht verinnerlicht hatten. Doch bei aller Sympathie für meinen Karl - ich bin zu alt geworden, um noch wie ein idealistischer Priester einfach nachzubeten, was dieser und andere Denker des Einfachen uns aufzwingen wollten. Es wäre zu einfach, wenn das Chaos der Welt dermassen billig zu erklären und zu bewältigen wäre.
Immerhin: Bei aller Kritik des Kommunismus, der den Ideen von Karl Marx folgte, stelle ich das Denkmodell dieser Art von Sozialismus weit über den Kapitalismus, die Regierbarkeit der Welt über das Geld, über den Besitztum, über die Gier, weil es menschlicher, wärmer, ausgleichender ist, weil das Raubtier im Menschen bei besserer Umsetzung des Modells hätte gezähmt werden können, weil beim Sozialismus nicht eine Casinowelt der schieren Gier nach Profit das oberste Ziel des Wirtschaftens ist. Beim Kapitalismus ist es dies auch nicht, doch die Mechanismen lassen keine andere Entwicklung zu, sie verselbständigen sich unter der Natur des Denkens dieser Spezies und stiften schliesslich nur noch Schaden. Man wird noch sehen, wohin Liberalismus, Individualisierung des Stärkeren, fehlende Sozialisierung der Völker und die Krönung des Ganzen, der Neoliberalismus, aufgrund der Macht der Konzerne statt der Staaten noch führen werden. Doch auch die nachfolgend zu besprechenden und anscheinend besseren Modelle sind ein Witz, denn auch sie sind im schlechten Sinne menschgemacht und nicht gottgemacht. Eine wertvolle Wirtschaftstheorie müsste einer höheren, ja, einer göttlichen Einsicht folgen in Bezug auf deren Denk- und Machbarkeiten, einer Einsicht, der offenbar nur ein ausserhalb aller Systeme denkender Mensch, unbeeinflusst von Akademien der Wissenschaft, gerecht werden kann.
Warum bei diesen Einschränkungen allerdings ein Marx diese Macht erhielt, zum Beispiel in der Sowjetunion und in China, wird wohl nie ganz klar werden, auch nicht, warum Sartre und andere "Denker" den Preis nicht bemerkten, der immer zu bezahlen ist für solche das Chaos vereinfachenden Ideologien. Auch sie waren eben Kinder der bestehenden Systeme und der vereinfachenden Denkschulen, wie sie bis auf den heutigen Tag in allen Universitäten dieser Welt gehegt und gepflegt werden. Selbst Habermas und Sloterdijk sind nur Opfer dieser Verzerrungsbrillen des Wirklichen. Ich jedoch versuche krampfhaft auszubrechen aus diesen Denkgefängnissen. Doch ob dies einigermassen mit Erfolg geschehen wird, scheint nicht einmal Gott zu wissen.