210 Minuten

Drei Mal je 210 Minuten 

 

Ja genau, drei Mal die Woche genau 210 Minuten – an der Dialyse. 

Kein Zuckerlecken. 

Halb tot hatte man mich eingeliefert und diese Nierengeschichte verordnet.

Mein Glück – seither fühle ich mich gewaltig besser. Ich hatte noch 47 Kilo von meinem normalen etwa 66 Kilo und ging auf allen Vieren. Die untersuchende Ärztin sagte hinterher, ein Wunder sei es gewesen, dass ich aus eigener Kraft mit dem Auto überhaupt in dieses Städtchen fahren konnte zur Analyse. 

Seither darf ich nur hier sitzen, das Blut zirkuliert viele Male durch die Maschine und wird gereinigt. 

Müsste ich die Sache finanzieren, wäre ich in einem Jahr pleite. Zum Glück bezahlt die Krankenkasse. 

Und was tut man so? 

Die meisten Patienten schlafen die Zeit durch – jedenfalls bis der Kaffee samt herrlichem Gipfeli kommt – Ich hingegen lesen und schreibe. Zeitungen und Bücher werden mitgenommen und ein Heftchen von mir wird vollgeschrieben mit Texten, die ich später zuhause in den Computer hämmere und dann im BLOG veröffentliche. 

Fünf Ärzte (auch weibliche) sind zuständig für die Überwachung und Analyse und wechseln sich täglich ab. Der Chef hatte mit der Violine zu Weihnachten ein Konzert gegeben und alle waren irgendwie betroffen, erheitert und versanken in Melancholie. 

Pfleger und Pflegerinnen gibt es wie Sand am Meer in einer Dialysestation die im Winter etwa 40 Patienten bedient und – wie mir gesagt wurde – an die 70 im Sommer. 

Eigentlich würde ich nicht viel anderes machen zuhause als lesen und schreiben, da gibt es kaum einen Unterschied auf unseren Liegen, die sich in 10 verschiedene Positionen bringen lassen. 

Es ist mir unverständlich, warum ich überhaupt nierenkrank sein kann: 

Nie geraucht, nicht viel gesoffen, immer viel Sport auf dem Rad und Ski und auch ein Berufsleben voller höchster Ansprüche und auch Vergnügen, Frauen und Freundschaften und ein Luxusleben, wo ich schon mit 25 gewohnt war ans Dolder, Baur au Lac und die teuersten Hotels und Restaurants der Welt auf allen Kontinenten. 

Wahrscheinlich war ich einer der Besten in meinem Beruf weltweit, aber dies hat auch nichts gebracht. 

Der Wohlstand kam lediglich durch einen Gewinn auf einer Liegenschaft. 

Nun soll also dies so weitergehen bis zu meinem Tod, jede Woche dreimal in die Dialyse – ein Wahnsinn. 

Zum Glück sind meine Freundin, mein Hund und ihre Katze noch vorhanden - sonst wäre es kaum auszuhalten. 

Ein Leben vor dem Zerfall und Tod – nicht schlecht – man könnte sich noch daran gewöhnen… 

René Delavy – Côte d’Azur 

Written in January 2024


Die Ärzte 

Also das Team der Pfleger ist grossartig und immer zu netten Gesprächen bereit. Ein Lob auf das ganze Team. Auch für Kaffee und Gipfeli.

Nun zu den Ärzten:: 

Dr. Jäger

hat offenbar das Nieren- und Dialyse-Zentrum begründet. Er ist sehr kompetent, bestimmt und ehrlich. Lukrativ ist der Laden wahrscheinlich, aber er hat ein Herz. Zu Weinachten gab er auf der Bratsche ein Konzert - mehr geht nicht – einfach Spitze. 

Dr. Eisel

geht sehr ausführlich auf die Behandlung ein, erklärt geduldig alle Details und umsorgt seine Leute mit Charme. Wenn ich etwas Komisches wissen will, am besten ihn fragen. 

Katerina - die Griechin:

Ich vergesse immer ihren Namen, aber sie ist gründlich, lustig, engagiert und will nur das Beste für ihre Patienten. Man fühlt sich besser, wenn sie hier gewesen ist. 

Frau Dr. Günther

Sie hat sofort erkannt in welchem Zustand ich war und innert 24 Stunden gesorgt um eine Operation in St. Gallen und die erste Dialyse. Sie ist intelligent, witzig, interessiert an allem und hat mir die erste Angst vor der Dialyse genommen. Dankbar kann man nie genug sein.

 

Die Pfleger

Wo bin ich da hineingeraten?

Ich habe die Namensliste aller Pfleger*Innen bekommen und kann jetzt die einzelnen identifizieren.

Einige sind zu beobachten:

Eine Pflegerin steht auf YOGA und ist der Meinung, diese Art von Ablenkung würde ihr Leben verbessern und sie auf gescheite Gedanken kommen lassen. Wahrscheinlich hat sie recht—

Ein Pfleger sagt immer das Gegenteil von mir: Wenn ich meine, dass wir vor riesigen Wasserproblemen weltweit stehen oder eine Finanzkatastrophe kommen muss, sagt er:

«Ach was, wir haben 1000 Möglichkeiten diese Sache zu korrigieren. Ich bin Optimist und weiss, so wie Sie es sagen, wird es nie passieren.»

Ich habe ihm und allen anderen hirnamputierten Hilfskräften nicht gesagt, dass es genau diese Haltung ist, die zur gegenwärtigen Situation führte und Milliarden von Toten erzeugen wird.

Ein sehr Netter ist interessiert an Literatur und weiss von meinen Bemühungen. Aber er kommt nie zum Lesen, ist seit 8 Monaten am gleichen Buch und Céline mit der Nachtreise ist noch weit weg.

Einer der Pfleger meinte, dass seine ganze Verwandtschaft in der Pflege sei. Auf meine Bemerkung, dass Chinesen nie einem Menschen in Not helfen würden, meinte er, er sei auch nie dazu bereit. Es mache einfach keinen Sinn ausserhalb der Familie zu helfen.

Es ist ein Nest von etwa 15 Pfleger und Helfer und ich sage, meine Firma in the Past war dagegen hoch normal und sauber….

 

Die Zeitbombe

Um die Spreu vom Weizen zu trennen, habe ich mein Buch «Reflexionen und Maximen» auf den Tisch des Gemeinschaftsraums des Personals gelegt.

Nun zeigt sich, wer interessiert ist und dies Buch begreift und seinen Intellekt um 300 Prozent erhöhen will.

Meine Voraussage: Keine von allen Ärzten und Pflegern – wie auch bei den Verlegern und den Medien – die Verblödung der Menschheit ist zu sehr fortgeschritten.

Zwei Monate später: Das Buch "Reflexionen und Maximen" wird ignoriert, die Zeitbombe ist eine Ignoranzbombe. Es ist erwiesen, dass die Idee von "der Weizen trennt sich von der Spreu", eine Illusion war - wie der Rest werden sie nie etwas begreifen wollen - wofür auch.

Damit man sagen kann: "Ihr müsst nie kommen, später - ihr hättet es nicht gewusst...."

Wie soll auch eine Dialyse-Station mehr wissen, als der dumme Rest der Masse der 99,999 % der verblödeten Völker - vor dem Kollaps und CHAOS.